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Sophie
Höhne
Interview
Sophie Höhne und Heidi Zapf
Frau Höhne, in den ersten zwei Wochen des Lockdowns hatten Kita und Krippe geschlossen. Wie ging es danach weiter?
Sophie Höhne In der Zeit nach dem ersten kompletten Lockdown durften nur sehr wenige Kinder zu uns in die Kita kommen – eine absolute Notbetreuung, für die bestimmte strenge Kriterien galten. Wir haben kleine Gruppen gebildet, die untereinander keinen Kontakt hatten. Danach schwankten dann die Zahlen der Kinder, je nachdem, welche Regeln erlassen wurden – das wechselte ja sehr oft. Eine echte Struktur hatten wir nicht, wir haben alle sehr im Moment und höchstens von Woche zu Woche gelebt. Bei jeder neuen Entscheidung wurden alle Eltern angerufen und die neuen Regeln kommuniziert. In der einen Woche freuten sich alle, dass sie wieder kommen durften, eine Woche später hieß es: Ihr müsst doch zu Hause bleiben. Diese fehlende Struktur – das fiel mir besonders schwer. Und den Eltern und Kindern natürlich auch.
Wie war denn der Umgang mit den Eltern? Hatten alle Verständnis?
HöhneNa ja, gerade am Anfang waren natürlich auch manche Eltern etwas panisch. Im Homeoffice noch Kinder zu betreuen, das war für viele kaum machbar. In solchen Situationen handelt man natürlich ein bisschen gereizter. Aber das hat sich irgendwann eingespielt. Jeder sieht, dass wir alle im selben Boot sitzen. Und dann lief es richtig gut. Die Eltern haben uns sehr unterstützt! Sie haben sich eingesetzt, waren entspannt und haben uns gelobt. Das hat mir sehr geholfen, denn wir wollen ja letztlich auch nur das Beste für Kinder und Eltern.
Wie sind denn die Kinder mit dem ständigen Wechsel zurechtgekommen?
HöhneIch arbeite in der Krippe, also mit den ganz kleinen Kindern bis drei Jahre. Die sind sehr sensibel für Veränderungen, und das konnten wir an der Laune der Kinder spüren. Mir tat es sehr weh, zu sehen, dass viele Kinder unheimlich gern gekommen wären. Manche haben uns besucht: Sie standen am Zaun, und wir haben uns mit ihnen über die Distanz unterhalten, gelacht und Späße gemacht. Aber hineinkommen durften sie nicht. Im Rahmen der „Verbunden-bleiben“-Aktion des Lebenshilfewerks haben wir kleine Projekte gestartet, damit wir den Kontakt nicht verlieren und die Kinder uns nicht vergessen. Wir hatten zum Beispiel eine kleine Osteraktion, bei der sich die Kinder eine Überraschung abholen konnten. Wir haben Briefe hin- und hergeschickt – solche Dinge.
Mit der Corona-Pandemie kam eine wahre Informationsflut auf uns zu. Woher haben Sie Ihre Informationen erhalten?
Höhne Ich habe mich durch den Kindergarten zum Teil um einiges informierter gefühlt als durch die Nachrichten. Weil jedes Bundesland die Dinge anders handhabte, war ich wirklich verwirrt und fühlte mich durch die Medien nicht sehr aufgeklärt. Hier in der Kita haben wir uns morgens einmal getroffen und alle wichtigen Informationen erhalten. Sehr schnell, sehr aktuell. Das hat mir viel Sicherheit gegeben.
Gibt es etwas, das Ihnen in besonders guter Erinnerung geblieben ist oder das Sie gelernt haben?
Höhne Ich fand schön, wie die Menschen zusammengerückt sind. Außerdem haben wir die Eltern noch einmal von einer anderen Seite kennengelernt. Auch wenn etwas Schlimmes passiert – gemeinsam schafft man das. Das ist eine Lehre, die ich in dieser Zeit gezogen habe. Gelernt habe ich, dass ich es wirklich liebe, eine Struktur zu haben. Ich wusste das natürlich schon vorher, aber die letzten Monate haben das noch einmal deutlich gemacht. Und ich habe festgestellt, dass ich sehr lange Zeit ohne viele Kontakte auskommen kann. Ich habe sehr viele Hobbys wie Lesen, Zeichnen oder kreatives Schreiben, die man hervorragend in Ruhe machen kann. Mit meinen engen Freunden hatte ich trotzdem viel Kontakt, wir haben geschrieben, telefoniert, gechattet. Das klappte besser, als ich gedacht hätte.
Haben Sie in der Pandemie-Zeit körperliche Veränderungen bemerkt?
Höhne Ich bin in der ganzen Zeit – obwohl ich mit Kindern arbeite – nicht einmal krank gewesen! Wir tragen ja die ganze Zeit Masken und halten Abstand. Vor Corona sind die Menschen mit einer dicken Grippe in den Bus gestiegen, als wäre es nichts. Ich würde mir wünschen, dass diese Achtsamkeit anhalten würde und sich kranke Menschen eher isolieren oder eine Maske tragen – egal ob es sich um Corona oder eine Erkältung handelt.
Wie schätzen Sie die nächsten Monate ein? Denken Sie, dass wir die Lage im Griff haben?
Höhne Am Anfang hatte ich den Eindruck, dass die Lage auf politischer Ebene relativ gut gehandhabt wurde. Dieser Eindruck hat sich im Verlauf nicht wirklich bestätigt, muss ich sagen. Corona wird noch eine Weile bleiben – und ich würde mir wünschen, dass die Menschen an einem Strang ziehen, sich impfen lassen und wir mögliche Wellen schneller in den Griff bekommen. Es ist so frustrierend, wenn man sich selbst an alle Maßnahmen hält und damit trotzdem keinen Erfolg hat, weil andere für jeden Schritt, den man nach vorne geht, zwei zurückgehen.